Manager berichten 

 
Interview mit Herrn Dr. Henning Kreisel, Geschäftsführer der Schmidt + Clemens GmbH + Co. KG, einem in Familienbesitz befindlichen, mittelständischen Hersteller von Stahlerzeugnissen und einer der vielgerühmten „Hidden Champions“ aus dem oberbergischen Lindlar bei Köln.

 
1. Zunächst vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Dr. Kreisel. Da sich dieser Newsletter in erster Linie an Studenten richtet, fangen wir am besten ganz am Anfang Ihres beruflichen Werdegangs an. Was haben Sie studiert und warum?

Ich habe mich eigentlich schon immer für wirtschaftliche Bereiche interessiert; vielleicht ging die Faszination auch von meinem Großvater aus, denn dieser war selbständiger Kaufmann. 1983 habe ich das Studium der Betriebswirtschaft an der RWTH Aachen begonnen.
Ursprünglich wollte ich Volkswirtschaftslehre studieren, weil mein Interesse zeitlebens volkswirtschaftlichen Aspekten galt. Aufgrund von Bedenken, die die berufliche Zukunft in diesem Bereich betrafen, entschied ich mich gegen ein Studium auf diesem Gebiet und für das Studium der BWL, da mit dieser Entscheidung mein volkswirtschaftliches Interesse nicht gänzlich außen vor blieb. Zudem denke ich, dass BWL in gewisser Hinsicht was von einem Studium Generale und damit auch einen individuellen Reiz hat.
 

2. Sie haben promoviert. Was war der wichtigste Grund für Sie zu promovieren?
 
In erster Linie hat es mir Spaß gemacht und, um ehrlich zu sein, wollte ich das Umfeld der Universität noch etwas genießen, da die universitäre Tätigkeit mir Freude bereitet und mein ganz besonderes Interesse geweckt hat.
 

3. Viele Studenten fragen sich während Ihres Studiums, wie ihnen Theoriewissen überhaupt im späteren Beruf nützlich sein kann. Inwieweit konnten Sie Ihr universitäres Wissen in der Praxis verwenden?
 
Es liegt in meiner persönlichen Neigung, dass ich schon immer sehr generell aufgestellt sein wollte und daran hat sich im Übrigen auch nichts geändert.
 
Ich hatte damals in meiner Fächerkombination unter anderem Unternehmensrechnung gewählt. Nicht unbedingt des Interesses wegen, sondern weil ich schlicht und einfach dachte: „Als Kaufmann muss man das wissen!“. Unternehmensrechnung, sowohl extern wie auch intern, ist für einen Kaufmann, der sich nicht in einer Nische spezialisieren will, generelles Handwerkszeug.
 
Als Zweites hatte ich  das Thema Organisation, bei Frese in Aachen, belegt. Auf den ersten Blick ist dieses Fach, wie auch z.B. Planung oder zuweilen Controlling, sicherlich ein bisschen „fuzzy“, für manche ein reines „Laberfach“. Bei genauerem Hinschauen zeichnen sich derartige Fächer durch eine mehr oder weniger starke Konzeption aus – was natürlich in hohem Maße von der Kompetenz des jeweiligen Dozenten abhängt. Die Fähigkeit, konzeptionell zu arbeiten, ist sicherlich eine der wichtigsten Anforderungen in meinem Beruf. Dabei glaube ich, dass es hier gar nicht so wichtig ist, bei welchem Hochschullehrer man welches Konzept gelernt hat. Die Bedeutung liegt weniger in dem Konzept an sich, sondern vielmehr darin, dass überhaupt ein Konzept ersichtlich ist, nach dem gearbeitet wird.
 
Welche Bedeutung gerade die Kombination der beiden Fächer hat, habe ich damals als Student nicht so klar gesehen. Aus heutiger Sicht würde ich jedoch jedem Studenten empfehlen, immer ein handwerkliches und ein konzeptionelles Fach zu wählen.
 
Als drittes Fach mussten wir seinerzeit ein technisches Fach wählen, in meinem Fall Produktionstechnik. Das war eine Besonderheit des BWL-Studiums an der RWTH Aachen durch die starke Maschinenbaufakultät. Ich bin weit davon entfernt, mich auch nur als halben Ingenieur zu bezeichnen, aber man bekam durch dieses tech­nische Fach noch einmal eine andere Sicht der Dinge, vor allem einen Einblick in die Denkweise von Ingenieuren.
 
Aus reinem Interesse heraus habe ich schließlich noch das Fach Außenwirtschaft belegt. Das war allerdings freiwillig, aber so konnte ich meinem persönlichen Interessengebiet der Volkswirtschaft doch noch nachgehen, was letztendlich jedoch Einfluss auf die Länge meines Studiums nahm.
 

4. Seit dem Jahr 2000 sind Sie Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen, zunächst bei der Kleinewefers Kunststoffanlagen GmbH und seit 2004 bei der Schmidt + Clemens GmbH. Wie sieht hier Ihr typischer Arbeitstag aus?
 
Mein typischer Arbeitstag sieht so aus, dass ich grundsätzlich terminlich gebunden bin, wobei jeder Besprechungstermin einer Vorbereitung bedarf, zumindest stichwortartig. Bei größeren Besprechungen sollte möglichst eine Agenda vorliegen. Dieses Vorstrukturieren der Termine ist insofern von Bedeutung, dass unheimlich viele Themen in relativ kurzer Zeit abgehandelt werden können.
Ich persönlich versuche bevor ich in den Feierabend gehe, mir kurz noch meine Agenda und Themen für den nächsten Tag zurechtzulegen. Sollte ich das nicht schaffen, was leider zu häufig vorkommt, mache ich das direkt am nächsten Morgen. Das ist so ein ganz typischer Punkt meines Arbeitstages.
Ich habe für mich eine Mappe, die bestimmte Themen beinhaltet, erstellt. In dieser Mappe führe ich für jeden Bereich eine Art Jobliste bzw. Themenliste. Diese gehe ich regelmäßig wiederholt durch, um sie gedanklich festzuhalten und zu bearbeiten. So entstehen oft neue Ideen.
 
Gegenwärtig führen wir hier gerade ein Strategieprojekt durch. Diese Dinge guckt man sich an und bespricht sie dann mit Mitarbeitern. Wichtig ist, dass immer wieder Zeit bleibt, um sich alles noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
 
In der Geschäftsführung bei Schmidt + Clemens bin ich zusammen mit meinem Kollegen, Jan Schmidt-Krayer, tätig. Da wir sehr eng im Team zusammenarbeiten gehört ein Informationsaustausch ebenfalls zur wichtigen Tagesroutine.
 
Für mich persönlich ist es wichtig, alles zu strukturieren und schriftlich zu erfassen. Eigentlich ähnlich wie man das im Studium macht. Bei der Strukturierung des Problems kommen einem die verschiedensten Gedanken und Ideen zu dem Thema. Die größte Herausforderung hierbei besteht, sich die dafür notwendigen Zeiten freizuschaufeln. Manchmal bleibt da nur der Abend oder die Nacht. Aber auch das war schon im Studium so, wenn auch aus anderen Gründen.
 
 
5. Was sind typische Probleme mit denen Sie täglich zu kämpfen haben?
 
Was sind typische Probleme? Mein folgendes Beispiel hat jetzt nichts mit der täglichen Arbeit zu tun, sondern mit der grundsätzlichen. Wenn Sie heutzutage eine Führungsaufgabe haben, dann unterstehen Ihnen als Führungskraft meistens Projekte. Sollten Sie dann Geschäftsführer sein, wird von Ihnen erwartet, dass sie die Themen selbst finden. Bei den Projekten, die sie in Angriff nehmen, geht es eigentlich immer darum, dass Sie etwas im Unternehmen bzw. im Unternehmensablauf verändern müssen.
Dieser Prozess hat in der Industrie vor ca. 10 bis 15 Jahren, vielleicht sogar noch früher eingesetzt. Sie übernehmen heute in der Regel keine Führungsaufgabe mehr, um die Dinge so fortzuführen, wie sie sind.
 
Ganz allgemein gesprochen, machen Sie im Endeffekt immer Veränderungsmanagement. Was versteht man nun aber unter Veränderungsmanagement? Es heißt, abstrakt gesagt, eigentlich nur, dass Sie den Ausgangspunkt A in den Zielzustand B überführen müssen. Und wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie am Anfang gar nicht genau wie B aussieht, denn das müssen Sie sich erst noch erarbeiten. (Für jeden, der sich mit Entscheidungs- oder Organisationstheorie beschäftigt hat, eine Selbstverständlichkeit.)
 
Dabei sind Sie auf das Wissen Ihrer Mitarbeiter angewiesen. Nicht nur um deren Meinung zu hören, sondern auch um die Leute „mitzunehmen“, müssen Sie mit den Mitarbeitern reden – und das nicht nur auf der Führungsebene, sondern auch mit den Sachbearbeitern oder den Werkern an der Maschine. Sie können allerdings nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Mitarbeiter diese Veränderungen wollen. Dennoch, man muss die Ideen vor Ort gewinnen, den Veränderungsprozess in Gang bringen und dann konkret und für jeden nachvollziehbar umsetzbar machen. Das ist die Hauptherausforderung.
 
Das hört sich nicht so einfach an und ist es auch nicht. Aber man wächst an seinen Aufgaben. Mit der Zeit lernt man, verschiedene Themen parallel zu bearbeiten, gleichzeitig in die Praxis umzusetzen und den Prozess voranzutreiben.
 

6. Was reizt Sie an Ihrem Beruf am meisten?
 
Das Entscheidende ist, dass ich ihn einfach gerne ausübe. Am meisten reizt mich sicherlich die Freiheit in der eigenen Aufgabenge­staltung. Natürlich üben gewisse Rahmenbedingungen und Zielsetzungen einen nicht zu unterschätzenden Druck aus, jedoch bei der Wahl des Weges, der zur Erreichung des Ziels führt, genießt man sehr viele Freihei­ten.
 
 
7. Und auf welchen Aspekt könnten Sie gut verzichten?
 
Frühes Aufstehen.
 

8. Welche Entscheidung hat Sie in Ihrer Karriere am meisten nach Vorne gebracht?
 
Ich kann keine Entscheidung explizieren, die mich in dem Sinne nach Vorne gebracht hat. Außerdem habe ich mit dem Wort `KarriereŽ ein Problem. Ich vertrete den Standpunkt, dass man seinen Lebenslauf nicht planen kann.
 
Es klingt vielleicht etwas abgedroschen, aber man muss die Dinge zumindest überwiegend gerne machen. Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass man auch harte Durststrecken mit wenig Spaß durchstehen muss.
 
Grundlegend für das berufliche Vorankommen – und vor allem dann, wenn’s auch mal keinen Spaß macht - sind feste Grundprinzipien, allen voran alte Tugenden, wie Ehrlichkeit und Fleiß. Wenn man anfängt, zu tricksen, währt das nicht lange.
 
 
9. Und welche Entscheidung bereuen Sie am meisten?
 
Keine.

 
10. Angenommen ein junger Mensch strebt an, wie Sie Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens zu werden. Welchen (Karriere-)Weg würden Sie ihm/ihr empfehlen?
 
Es gibt sicherlich geradlinigere Wege und wie gesagt - ich bezweifle, dass Karrierewege planbar sind. Nebenbei, ich war nicht immer im Mittelstand. Ich war über fünf Jahre in der Mannesmann-Holding, zuletzt als Leiter des Konzern-Controllings.
 
Ob Konzern oder Mittelstand, ich hatte immer das Glück, dass meine Vorgesetzten meine Entwicklung förderten. Das habe ich so nicht geplant, aber bei der Wahl meiner Stellen und damit auch bei der Wahl meiner Vorgesetzten habe ich mich immer auf mein Gefühl verlassen. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass vieles zu meinen Gunsten verlaufen ist.
 
Wichtig ist, dass man zu seinen Vorgesetzten Vertrauen hat. In einer größeren Organisation muss man zusätzlich darauf achten, wem der Vorgesetzte vertraut, denn in der Regel ist dieser ja in seinen Entscheidungen nicht frei.
 
Vertrauen ist im Geschäftsleben ohnehin ein zentraler Faktor, nicht nur bei Vor­ge­setzten, sondern auch bei Mitarbeitern, Kollegen und Geschäftspartnern. Es gibt Menschen, mit denen könnten Sie, auch wenn man das schon zur Vermeidung von Missverständnissen nicht macht, Millionen­verträge auf Handschlag abschließen. Wenn die Vertrauensbasis fehlt, können gar nicht genug Juristen über den Vertrag schauen.
 
Weiterhin sollte man darauf achten, sich stets in einem professionellen Umfeld zu bewegen, denn nur in einem professionellen Umfeld kann man lernen und wird gefordert, ständig besser zu werden.
 
Professionell muss nicht zwangsläufig nur der Chef sein, sondern auch kompetente Kollegen oder Mitarbeiter sind von Bedeutung. Das ist spätestens dann wichtig, wenn man selbst Chef ist. Von Mitarbeitern zu lernen braucht aber einige Zeit. Der Mitarbeiter muss erst das Vertrauen gewinnen, Ihnen auch mal unangenehme Wahr­hei­ten sagen zu können. Erfahrungsgemäß tun sich ältere Mitarbeiter damit leichter. Die haben auch viel Erfahrung, so dass sie viel von denen lernen können.
 
Wenn Sie eine neue Aufgabe übernehmen, dann gibt es normalerweise einen Kernbereich, in dem Sie fit sind und einen mehr oder weniger großen Zuständigkeitsbereich, wo Sie zumindest am Anfang im Nebel rumstochern und auf professionelle Mitarbeiter angewiesen sind. Man wächst mit der Aufgabe, wenn man bewusst versucht von diesen Leuten zu lernen.
 
Dabei ist es aber wichtig, stets die fachliche Expertise des eigenen Standbeines zu pflegen. Das hat zum einen etwas mit Selbstwertgefühl zu tun, um sagen zu können, auf diesem Gebiet kann mir keiner was vormachen. Aber auch wenn man sich von seinem Gebiet weit entfernt und sich in unsicheres Gewässer begibt, hilft das eigene Standbein. Es bringt schlichtweg Akzeptanz, wenn die Leute wissen, dass man auf seinem Gebiet was drauf hat!
 
 
11. Und zum Abschluss: Welchen Ratschlag würden Sie unseren Studenten gerne noch mit auf den Weg geben?
 
Wie schon gesagt, ich halte die Kombination eines handwerklichen und eines konzeptionelle Faches für richtig und wichtig. Im Idealfall ist das handwerkliche Fach der Grundstein für die fachliche Expertise, die man während seines Berufsweges pflegt. Die konzeptionellen Fähigkeiten sind die Voraussetzung dafür, sich in neue Gebiete einzuarbeiten.
 
Für meine Begriffe ist dann die Auswahl des ersten Jobs ganz wichtig, weil Sie zu diesem Zeitpunkt ein Mensch sind, der noch geformt werden kann. Suchen Sie sich ein professionelles Umfeld, wo sie gefördert werden können. Das gibt’s nicht nur in der Zentrale von Großkonzernen sondern auch bei den ‚Hidden Champions’ im Mittelstand. Gucken Sie sich die Leute, mit denen Sie es zu tun haben werden, genau an. Der erste Job formt unheimlich! Und nicht vergessen: die fachliche Expertise aufbauen und pflegen!
 
Wenn sie dann eine Führungsaufgabe übernehmen, können Sie nicht ohne weiteres davon ausgehen, auf der Beliebtheitsskala oben zu rangieren. Sie müssen Dinge verändern und das ist schlicht und einfach nicht immer beliebt. Um Dinge verändern zu können, muss man selber vorangehen. Dabei spielen Fleiß und Ehrlichkeit eine zentrale Rolle.
 
Noch ein wichtiger Tipp: Versuchen Sie bei der Umsetzung ihrer Projekte schnell kleine Erfolge zu schaffen. Mit den Erfolgen kommt das Vertrauen.
 
Lassen Sie mich schließlich noch ein paar generelle Worte zur Hochschulausbildung sagen. Wenn ich auf meine Studienzeit zurückblicke (die allerdings schon ein paar Jahre her ist) sehe ich einigen Veränderungsbedarf: Zu meiner Zeit wurde man bereits im Studium zu einem Mitarbeiter in einem Großkonzern erzogen. Man hat gelernt, Risiko zu minimieren, so wie es eben auch in einem Großkonzern funktioniert.
 
Wenn man Risiko minimiert, dann hat man beide Seiten des Risikos, also auch die Chancen minimiert. Ich glaube, was wir alle noch lernen müssen, ist nicht das Risiko zu minimieren, sondern Risiko zu managen und mit Risiko umzugehen. Allerdings behaupte ich, mit Risiko umzugehen, lernt man eher in mittelständischen Unternehmen als in Großkonzernen, weil dort die Nähe zum Geschehen gewährleistet ist.
 
Was heute zu Risikomanagement geschrieben wird, ist für meine Begriffe, eher Risikominimierung. Um Risiko zu managen, sollten Risiken zunächst sichtbar gemacht, bewertet und mit einer persönlichen Präferenz unterlegt werden, und zwar nicht nur als Negativum, sondern auch als Chance. Letztlich geht es hier um den Kern des Unternehmertums. Mir ist klar, dass so etwas schwer zu lehren ist, aber ich glaube, die Hochschulen müssen sich damit konzeptionell beschäftigen.

Vielen Dank für Ihre Zeit.

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