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Manager berichten„Und dann haben wir Mannesmann Mobilfunk gestartet…“
Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Szyperski berichtet über seine aktive Zeit als Wissenschaftler, Manger und Gründer.
Zunächst vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Prof. Szyperski. Da sich dieser Newsletter in erster Linie an Studenten richtet, fangen wir am besten ganz am Anfang Ihres beruflichen Werdegangs an. Was haben Sie studiert und warum?
Ich war nach dem Abitur 1950 zunächst ein richtiger Lehrling. Ich bin gelernter Futtermittel- und Getreidekaufmann und habe nach meinem Abschluss als eingetragener Kaufmannsgehilfe an der FU in Berlin Betriebswirtschaft studiert. 1957 habe ich dort mein Examen als Diplom-Kaufmann gemacht.
Eigentlich hatte ich danach vor, sofort in die Praxis zu wechseln, aber mein akademischer Chef empfahl mir zu promovieren, was ich dann am Institut für Industrieforschung von Prof. Erich Kosiol auch in Angriff nahm. Nach der Promotion erhielt ich dann ein überraschendes Angebot, mich bei der Eisenhower-Fellowships, Inc. in den USA zu bewerben. Das ist ein Programm zur Förderung von hoffnungsvollen Nachwuchskräften in der ganzen Welt. Dies hat mir einen Aufenthalt von 10 Monaten in den USA ermöglicht. Danach bekam ich wieder eine gute Gelegenheit und wurde Visiting Assistant Professor for Management an der University of Florida in Gainesville.
Als ich mit meiner Frau und unserem ersten, in den USA geborenen Sohn, zurückkam, hatte ich wieder vor, in die Praxis zu wechseln. Es wurde mir aber wurde ein Stipendium zum Habilitieren angeboten, das ich gerne annahm. Anschließend konnte am Betriebswirtschaftlichen Institut für Organisation und Automation an der Universität zu Köln, dem BIFOA (www.bifoa.de), das 1963 von meinem späteren Kollegen Erwin Grochla gegründet wurde als Forschungsleiter tätig sein.
Schließlich bekam ich einen 1970, nach mehreren Rufen an deutsche und Schweizer Universitäten einen Ruf auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Allgemeine BWL und Betriebswirtschaftliche Planung nach Köln. Dies hatte die Wirkung, dass mit vereinten Kräften auch unser BIFOA ziemlich stark wuchs. In der Spitzenzeit hatten wir über 140 Mitarbeiter, die weder von der Uni noch von staatlichen Förderungen institutionell finanziert wurden. Das BIFOA wurde danach längere Zeit nur in Forma eines Fördervereins geführt. Es wird derzeit wieder ausgebaut mit einer eigenen Tochtergesellsschaft, der gemeinnützigen CENSET GmbH als „Center for Scientific Entrepreneurship and Transfer“ an der Universität zu Köln.
1981 erreichte mich die Anfrage, ob ich die „Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), in Sankt Augustin bei Bonn, leiten wolle. Sie war zu dieser Zeit eine Großforschungseinrichtung in Sankt Augustin mit etwa 1.400 Mitarbeitern (die GMD wurde mittlerweile mit der Fraunhofer Gesellschaft fusioniert, Anm. d. Red.). Das habe ich dann fünf Jahre als Vorstandsvorsitzender gemacht, während ich von der Uni beurlaubt war.
1986 bekam ich dann das Angebot, wieder wegen guter Projektkontakte, die Leitung der Gruppe Mannesmann Kienzle im Mannesmann Konzern zu übernehmen. Zur gleichen Zeit wurde ich bei der GMD Vorsitzender des Aufsichtsrates. So konnte ich endlich damit richtig in die Praxis gehen. Darum bat ich zu dieser Zeit um meine Entlassung als Landesbeamter in NRW und wurde von Frau Ministerin Anke Brunn zum Honorarprofessor an meiner alten Fakultät ernannt.
Der Sprung auf die rund 14.000 Mitarbeiter bei Mannesmann Kienzle in Villingen-Schwenningen, setzte also die Potenzierung in der Mitarbeiterverantwortung fort. Es war ein sehr interessantes Geschäft. Es gab drei große Geschäftsbereiche. Erstens Datenverarbeitung mit eignen Hardware- und Software-Entwicklungen, dann Apparaturen für die Automobilindustrie und drittens Drucker für den Bereich der Datenverarbeitung.
Aus dieser Position heraus konnte ich sodann mithelfen, 1989 die Lizenz für das erste private Mobilfunknetz (D2)in Deutschland in einem recht intensiven Wettbewerb zu gewinnen. Und so haben wir dann Mannesmann Mobilfunk starten können. Eine sehr interessante und auch aufregende unternehmerische Zeit in der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Durch die Wiedervereinigung konnte das D2-Netz nahtlos auch auf die ostdeutschen Gebiete ausgedehnt werden.
Noch während meiner Uni-Zeit Parallel konnte ich dann 1974 zusammen mit Klaus Nathusius den Bereich Gründungsforschung an der Uni Köln gestartet, woraus auch die Gründerzeit (Studenteninitiative an der Uni Köln (www.gruenderzeit.de), Anm. d. Red.) entstanden ist. Aber es sind auch über 60 Firmengründungen daraus hervorgegangen. Nicht zuletzt auch die Consulimus AG.
Vor vier Jahren, auch um Wissenschaft, Politik und Wirtschaft an einen Tisch zu bekommen, habe ich auf Sylt die Sylter Runde gegründet (www.sylter-runde.de). Die die gerade abgeschlossene Sylter Runde hat sich Anfang Oktober 2007 mit dem Thema „Unternehmer helfen Unternehmern – Wie können wir mehr Business Angel in Deutschland aktivieren?“ befasst. Wir glauben nämlich, dass es ein erhebliches Potenzial von Unternehmern geben könnte, die z.T. aus dem aktiven Geschäft ausgeschieden sind, und jetzt nicht nur an der Börse oder in irgendwelchen Fonds ihr Geld deponieren wollen, sondern mit dem Kapital und ihren Erfahrungen aktive Starthilfe (daher genannte Business Angels) leisten möchten. Diesen Gesprächskreis habe ich zusammen mit Prof. Tobias Kollmann von der Universität Duisburg-Essen veranstaltet. Er war einer der Mitgründer der Scout24-Gruppe und ist auch jetzt noch in der Internetwelt unterwegs, neue Firmen zu starten, hat aber auch einen Lehrstuhl der sich mit diesen Themen beschäftigt. Diese Sylter Runde entsprang auch einer engen Kooperation mit dem „Business Angels Network Deutschland (BAND) (www.business-angels.de), deren Gründungsmitglied ich vor 10 Jahren sein konnte.
Welcher Aspekt Ihres Studiums hat Ihnen später am meisten genutzt?
Es ist eine gute Wechselwirkung, wenn man sowohl die Theorie als auch die Praxis in den Griff bekommen kann. Wenn man eine gute theoretische Ausbildung hat, die zugeschnitten ist auf Entscheidungsprobleme, und dazu über einen gewissen Erfahrungshintergrund verfügt, dann entwickelt man eine analytische Disziplin, die sehr von Vorteil ist. Vor allem, wenn man, wie es in der Praxis ja so üblich ist, vor Themen und Fragen gestellt wird, die nicht so leicht strukturierbar sind. Man obsiegt in der Regel natürlich nicht durch erlernte formalisierte Optimierungsmodelle. Aber man hat einen gewissen Vorsprung dadurch, dass man das Strukturieren von Problemen, die eigentlich noch diffus sind, besser beherrscht. Nicht zuletzt das ist der Vorteil, einer akademischen Ausbildung.
Der Nachteil ist, dass Sie nicht wie jemand, der über ein Auszubildendenprogramm in einer Firma und somit in einer Branche groß wird. Und - sagen wir einmal - den „Stallgeruch“ erst noch gewinnen muss. Das kann langsamer oder schneller gehen, aber man darf die Zeit, die man braucht, um mit einer Branche wirklich vertraut zu werden, nicht unterschätzen.
Ich bin immer ganz frustriert, wenn ich sehe, dass hoch gelobte Manager plötzlich von den zuständigen Aufsichtsräten von einer Branche in die andere Branche „rübergeschifft“ werden und zwar gleich in die obersten Führungspositionen. Also ich hätte die Aufgabe bei Mannesmann Kienzle niemals angenommen, wenn ich zu dem Zeitpunkt nicht schon über 20 Jahre eng mit der Branche vertraut gewesen wäre. Nicht nur durch Arbeiten an den gemeinsamen Projekten, sondern auch durch zahlreiche große Beratungsaufträge, die ich aus der Industrie hatte und relativ erfolgreich durchführen konnte.
Meiner Meinung nach, haben wir zu wenig Praxis-Erfahrung in der akademischen Welt. Ich bin sehr für eine strikte und gute theoretische Ausbildung, aber ich denke, es ist ganz wichtig, dass man möglichst viel Verständnis und Erfahrungswissen und inhaltliche Nähe zu seinem Gegenstandsbereich hat. Ich mache das gerne an einem Beispiel deutlich: Stellen Sie sich vor, Sie würden auf einen Hochschullehrer in der Medizin treffen, der das Fach der Chirurgie vertritt, und er würde über das Operieren theoretisieren, aber hätte niemals mit einem Skalpell auch einmal an dem „Gegenstand“, über den er redet Hand angelegt.
Ich glaube in gleicher Situation sind wir, wenn wir über Unternehmensführung, über grundsätzliche Probleme der Betriebswirtschaftslehre, die nicht im Formalbereich des Rechnungswesens oder bestimmter Controllinginstrumente liegen, sprechen.
Daher finde ich es so wichtig, dass man, wenn man schon keine praktische Ausbildung wahrnehmen kann und keine Pflichtpraktika hat, möglichst häufig während seines Studiums versucht, in Firmen, Unternehmen und Organisationen einzutauchen.
Welchen Rat würden Sie unseren Studenten mit auf den Weg geben?
Der erste und wichtigste Rat ist, ein Fach an der Universität zu wählen, zu dem man eine innerliche Beziehung hat. Das ist natürlich nicht immer leicht zu realisieren. Aufgrund von Studienaufnahmebedingungen, -ort sowie regionale und familiäre Umstände.
So trifft man manchmal mehr oder weniger zufällig auf Studiengänge, und wählt sie die dann, weil man denkt, besser das als gar nichts. Aber wenn man irgendeine Wahl hat, sollte man seiner Neigung folgen. Das ist das Wichtigste. Man muss in seinem Beruf später, und das fängt im Studium an, Spaß haben! Das bedeutet nicht, dass man sich nicht immer auch diszipliniert quälen muss, aber man muss Freude haben, sonst ist das alles umsonst. Das Leben ist viel zu kurz, als dass man einen Beruf macht, nur um Geld zu verdienen.
Vielleicht können in der Zukunft auch vor Beginn des Studiums Orientierungsveranstaltungen helfen, wie sie z.B. von meinem Kollegen Harald von Kortzfleisch im Rahmen der SyltSemester angeboten werden (www.syltsemester.de), um die eignen Begabungen und Neigungen besser verstehen zu lernen und die Fülle der Studienangebote nach dem eigenen Muster deutlicher sortieren zu können.
Ich würde jedem, der nach dem Abitur die Möglichkeit hat, eine Lehre in der Nähe seiner Intention zu machen, dringend empfehlen, zunächst diesen Weg Lehrberuf zugehen. Eine bessere Sozialisation, als „Stift“, wie es früher hieß, in einem Betrieb, wo man jetzt nach dem Gymnasium nicht „Glamour“ ist, sondern in der Gruppe funktionierend und dienend tätig ist, das ist eine Lebenserfahrung, die wichtig ist. Und natürlich die inhaltlichen und fachlichen Berührungen, die man durch Praktika hat.
Und der dritte Punkt, der bei einer Untersuchung der Stanford University sehr gut herausgearbeitet wurde: Welche Fächerkombinationen haben auf der einen Seite erfolgreiche Unternehmer und auf der anderen Seite erfolgreiche Experten (für welche Themen auch immer) gewählt?
Was einleuchtend ist, aber auch empirisch gut belegt werden konnte, ist, dass diejenigen, die von der Mentalität und von der Neigung her zum unternehmerischen tendierten, relativ breite Fächerkombinationen wählten und sich links und rechts von ihren Schwerpunktbereichen umfassender interessierten. Während diejenigen, die sich dann später als Experten (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater etc.) bewährten, immer tiefer wissen wollten, was gibt es denn noch auf meinem Gebiet. Das ist sicher nicht notwendig eine Entscheidung, für die eine oder die andere Art der späteren Karriere. Beides sind unterschiedliche Profile von Karrieren. Sie können Weltmeister im Steuerrecht sein, und die ganze Welt, besonders Deutschland, wird Ihnen nachlaufen und Sie werden gut Geld durch Honorare verdienen, oder sie werden Unternehmer, bauen ein Unternehmen auf und können auch sehr gut Geld verdienen. Aber es ist eine andere Ausrichtung und wenn man diese Tendenz zu der einen oder anderen Richtung spürt, dann sollte man diesen Neigungen schon während des Studiums nachgehen.
Was würden Sie den Studenten noch mit auf den Weg geben?
Also ein paar Punkte hatten wir ja schon. Aber das was ich den Studenten am ehesten noch mit auf den Weg geben möchte, ist ein „kritisches Selbstvertrauen“. Also daran zu glauben, dass andere viel leisten, dass man aber auch selbst viel leisten kann.
Mein Lebensprinzip, das ich natürlich auch empfehle, ist eben dieses kritische Selbstvertrauen. Also Angebote annehmen, die einem inhaltlich liegen, aber nicht in Ehrfurcht davor erstarren.
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